Ein Hormon könnte einen Einfluss auf die sexuelle Orientierung haben

Sorgt ein Hormon für eine Vorliebe für das andere Geschlecht?

Eine kleine Studie hat untersucht, ob die Einnahme des Hormons Progesteron während der Schwangerschaft dazu führen kann, dass ihre Kinder im späteren Leben bi- oder homosexuell werden. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies der Fall sein könnte.

Bisher verstehen Forscher nicht, was dafür sorgt, dass ein Mensch sich zu seinem eigenen Geschlecht hingezogen fühlt. Das gilt für Soziologen genauso wie für Neurologen und auch Psychologen. Daher haben US-amerikanische und dänische Mediziner mit dem Forschungsfeld Sexualität sich erneut damit befasst. Ihre Hypothese, die sie nach ausführlichen Studien in der Fachzeitschrift „Archives of Sexual Behavior“ veröffentlicht haben, besagt, dass das Hormon Progesteron Homo- und Bisexualität begünstige.

Die Untersuchungen wurden im Rahmen einer dänischen Kohortenstudie in den 80er Jahren durchgeführt. Daraus haben die Forscher einen verhältnismäßig kleinen Datensatz herausgenommen und ihn in diesem neuen Kontext ausgewertet. Dieser Prozess der Auswertung des Datensatzes wurde von June Reinisch geleitet. Sie war Direktorin des Kinsey-Instituts in den USA und hat dort Beiträge für den weit über die Grenzen des Landes bekannten Kinsey-Report geschrieben, bis sie diesen Posten in den 90er Jahren aufgab.

Progesteron als Mittel gegen Unfruchtbarkeit

Progesteron ist ein Sexualhormon, welches gemeinhin als Gelbkörperhormon bekannt ist. Sowohl Männer als auch Frauen produzieren dieses Hormon in ihrem Körper. Gerade für Frauen ist es sehr wichtig. In ihrem Körper ist es dafür verantwortlich, dass die monatliche Blutung ihren geregelten Lauf nimmt und dass sich der Embryo angemessen in der Gebärmutter einnistet. Im Laufe der Schwangerschaft steigt der Anteil des Progesterons im Blut enorm an. Wenn der Spiegel an Progesteron zu niedrig ist, kann es unter Umständen zu einer Fehlgeburt kommen, wenn man Pech hat. Um das Risiko einer solchen zu minimieren, nehmen werdende Mütter in vielen Fällen dieses Hormon zusätzlich zur körpereigenen Produktion ein, wenn es ihnen ihr Arzt verschrieben hat.

Der Datensatz, den die Forscher ausgewertet haben, enthielt Daten von jeweils 17 jungen Frauen und Männern, deren Mütter alle während ihrer Schwangerschaft in den Jahren zwischen 1959 und 1961 vom Arzt zusätzliches Progesteron verschrieben bekommen haben und es dementsprechend eingenommen haben. Selbstverständlich gab es eine Kontrollgruppe, mit der die untersuchten Daten verglichen worden sind, damit die Forscher belastbare Schlüsse ziehen konnten. Diese ist so gewählt worden, dass die Beeinflussung durch andere hormonelle Faktoren ausgeschlossen werden konnte.

Ausgeprägte sexuelle Vorliebe für Männer

Alle Teilnehmer an dieser Studie sind im Alter von zwischen 20 und 30 von Psychologen wissenschaftlich interviewt worden. Zudem mussten sie einen Fragebogen ausfüllen, der ihre sexuellen Erfahrungen abgefragt hat. Dabei ging es explizit um sexuelle Erfahrungen sowohl mit dem eigenen als auch mit dem anderen Geschlecht.

Die Ergebnisse der Forscher haben gezeigt, dass fünf von 17 männlichen Teilnehmern und zwei von 17 Frauen in der Untersuchungsgruppe, deren Mütter im Verlauf der Schwangerschaft Progesteron eingenommen hatten, eine sexuelle Vorliebe für das eigene Geschlecht haben. Die Kontrollgruppe hingegen, die genauso groß ist, haben jedoch keine Personen diese Vorliebe. Den Forschern ist vor allen Dingen aufgefallen, dass in der Progesteron-Gruppe beide Geschlechter eher eine Vorliebe für Männer haben.

Die Forscher sind der Ansicht, dass die gefundenen Ergebnisse aussagekräftig sind, auch wenn die untersuchte Gruppe beileibe nicht groß ist.

Das Progesteron spiele nach den Ergebnissen der Forscher eine unterschätzte Rolle in der Entwicklung des Menschen in psychosozialer Hinsicht, wie Reinisch und ihre Kollegen in dem Magazin „Archives of Sexual Behavior“ schreiben. Allerdings sind selbstverständlich weitere Studien an Müttern, die während der Schwangerschaft Progesteron eingenommen haben, und ihren Kindern nötig, damit die Forscher verifizieren können, ob das Hormon wirklich einen Einfluss auf die sexuelle Orientierung einer Person hat.